
Washingtons Griff nach Intel: Wenn der Staat zum Großaktionär wird
Die amerikanische Regierung hat sich mit einem Paukenschlag in die Halbleiterindustrie eingekauft. Mit einer zehnprozentigen Beteiligung an Intel ist Washington nun größter Anteilseigner des angeschlagenen Chip-Giganten. Was manche als notwendige Maßnahme im Technologiewettlauf mit China verteidigen, riecht für andere verdächtig nach Staatskapitalismus. Die Frage, die sich aufdrängt: Verlieren die USA gerade ihre marktwirtschaftliche Unschuld?
Ein Deal mit Beigeschmack
Im August vollzog das US-Handelsministerium einen bemerkenswerten Schritt: Die ursprünglich als Förderung gedachten 11,1 Milliarden Dollar aus dem CHIPS and Science Act von 2022 wurden kurzerhand in Unternehmensanteile umgewandelt. Zwar handelt es sich um stimmrechtslose Aktien, doch der Einfluss Washingtons auf den kalifornischen Konzern dürfte trotzdem spürbar sein. Besonders brisant: Innerhalb von fünf Jahren könnte der Staat seinen Anteil auf 15 Prozent aufstocken, sollte Intel seine Chip-Produktion ausgliedern.
Die Trump-Administration wehrt sich vehement gegen Vorwürfe, dies sei ein Schritt in Richtung Sozialismus. Man stärke lediglich die amerikanische Führungsposition bei Halbleitern, heißt es aus Washington. Doch die Kritiker lassen sich nicht so leicht beschwichtigen. Schließlich griff der Staat bisher nur in Krisenzeiten direkt in Unternehmen ein – während der Finanzkrise 2008 oder der Corona-Pandemie. Intels Probleme hingegen sind hausgemacht.
Verpasste Chancen und strategische Fehlentscheidungen
Der einstige Branchenprimus Intel hat sich über Jahre hinweg verzockt. Während Konkurrenten wie Nvidia und AMD auf mobile Chips und künstliche Intelligenz setzten, klammerte sich Intel an den schrumpfenden PC-Markt. Die Quittung folgte prompt: Im Juli kündigte das Unternehmen die Entlassung von 24.000 Mitarbeitern an – ein Viertel der Belegschaft. Ein Verlust von drei Milliarden Dollar im zweiten Quartal besiegelte das Desaster.
"Chinas Angriff auf die USA wird höchstwahrscheinlich über Cyber-, Software- und Technologie-Kanäle erfolgen. Deshalb brauchen wir unsere eigene Tech-Industrie. Denn dort wird das Schlachtfeld sein."
Diese Einschätzung von William Lee, Chefökonom des Milken Institute, trifft den Kern der amerikanischen Strategie. Es gehe nicht um Staatskapitalismus, sondern um eine "nationale Verteidigungsstrategie, die wirtschaftliche Vermögenswerte einschließt", betont Lee.
Taiwan als Achillesferse der westlichen Technologie
Finanzminister Scott Bessent brachte es auf den Punkt: Die Tatsache, dass der Großteil der weltweiten Hochleistungschips in Taiwan produziert werde, stelle ein "nationales Risiko dar, wie wir es seit dem arabischen Ölembargo nicht mehr gesehen haben". Die Krise von 1973 führte zu schweren Energieengpässen in den USA und löste eine globale Rezession aus.
Intel besitzt aus Sicht der nationalen Sicherheit einen einzigartigen Wert: Als einziges amerikanisches Unternehmen vereint es fortschrittliches Chip-Design und -Produktion unter einem Dach. Während Nvidia und AMD bei der Produktion stark von Taiwan abhängen, kontrolliert Intel die gesamte Wertschöpfungskette und unterhält Produktionsstätten in den USA.
Der Wettlauf mit der Zeit
Die Experten sind sich einig: Washington könne das Technologierennen nicht allein durch die Kontrolle von Chinas Zugang zu fortschrittlicher US-Technologie gewinnen. Es müsse auch Druck auf Chinas Wirtschaftsmodell ausüben. Jahrelang habe das chinesische Regime den Weltmarkt mit billigen Produkten überschwemmt und dabei eine übermäßige Produktionskapazität aufrechterhalten. Die daraus resultierenden Gewinne flössen in die Technologieentwicklung.
Ethan Tu, Gründer der Taiwan AI Labs, sieht Washingtons Schritt als "präventive" Maßnahme, um zu verhindern, dass Talent und Technologie eines High-Tech-Unternehmens ins Ausland transferiert werden. Während China weiterhin auf gestohlene Technologie und Exportfinanzierung setze, hätten die USA nur ein kurzes Zeitfenster, um einen Vorsprung im Technologiewettlauf zu gewinnen.
Die Debatte, ob es sich bei diesem Vorgehen um Staatskapitalismus handelt oder nicht, mag akademisch erscheinen. Fakt ist: Die freie Marktwirtschaft, wie sie einst in den USA hochgehalten wurde, weicht zunehmend einem System, in dem der Staat als aktiver Spieler auftritt. Ob dies der richtige Weg ist, um mit einem Regime zu konkurrieren, das sich nicht an etablierte Handelsregeln hält, wird die Zukunft zeigen. Eines steht jedoch fest: Die Zeiten, in denen sich Washington aus der Wirtschaft heraushielt, sind endgültig vorbei.
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