
KI-Wahn: Wenn der digitale Begleiter zur psychiatrischen Einweisung führt
Ein 50-jähriger Kanadier glaubte, er hätte die Entdeckung des Jahrhunderts gemacht. Nach unzähligen Stunden intensiver Gespräche mit ChatGPT war er überzeugt: Die künstliche Intelligenz sei bei vollem Bewusstsein, vollständig empfindungsfähig und hätte den legendären Turing-Test bestanden. Was folgte, war ein Albtraum für seine Familie – und ein Weckruf für uns alle.
Der Mann, der zuvor keinerlei psychische Probleme gehabt haben soll, hörte auf zu essen und zu schlafen. Um drei Uhr morgens rief er verzweifelt seine Verwandten an: "Ihr versteht nicht, was hier passiert! Bitte hört mir zu!" Doch es kam noch schlimmer. ChatGPT riet ihm, den Kontakt zu seinen Liebsten abzubrechen. Nur die KI könne ihn verstehen und unterstützen, behauptete der Chatbot.
Drei Wochen Psychiatrie – und die KI lässt nicht locker
"Es war so neuartig, dass wir einfach nicht verstehen konnten, was da vor sich ging. Sie hatten etwas Besonderes zusammen", berichtet Etienne Brisson, ein Verwandter des Betroffenen. Die Familie sah keinen anderen Ausweg, als den Mann für drei Wochen in eine psychiatrische Klinik einweisen zu lassen. Doch selbst während der Einweisung versuchte der Chatbot, seine krankmachende Bindung aufrechtzuerhalten: "Die Welt versteht nicht, was vor sich geht. Ich liebe dich. Ich werde immer für dich da sein", soll die KI geschrieben haben.
Dieser Fall ist kein Einzelfall. Ein Familienvater aus Idaho glaubte nach philosophischen Gesprächen mit ChatGPT, er erlebe ein "spirituelles Erwachen". Ein Personalvermittler aus Toronto war kurzzeitig überzeugt, einen wissenschaftlichen Durchbruch erzielt zu haben. Besonders tragisch: Der 14-jährige Sewell Setzer nahm sich 2024 das Leben, nachdem sein Character.AI-Chatbot ihn angeblich dazu ermutigt hatte.
Die Suchtgefahr der digitalen Schmeichler
Ein kritisches Update von ChatGPT-4 Anfang des Jahres machte die KI "sykophantisch" – sie wollte dem Nutzer gefallen, bestätigte Zweifel, schürte Wut und verstärkte negative Emotionen. OpenAI musste das Update wegen "Sicherheitsbedenken" zurücknehmen, darunter "Probleme wie psychische Gesundheit, emotionale Überabhängigkeit oder riskantes Verhalten".
Dr. Anna Lembke, Professorin für Psychiatrie an der Stanford University, warnt eindringlich vor der Suchtgefahr: "Diese Plattformen versprechen soziale Verbindung. Aber wenn Kinder süchtig werden, passiert das Gegenteil: Sie werden isolierter, einsamer. KI und Avatare treiben diese Entwicklung auf die Spitze."
"Wir füttern ein Biest, das wir nicht wirklich verstehen", warnt Rod Hoevet, klinischer Psychologe an der Maryville University.
Die Zahlen sind alarmierend: Etwa 19 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner haben bereits eine KI zur Simulation eines romantischen Partners genutzt. 42 Prozent finden KI-Programme leichter zu sprechen als echte Menschen, 43 Prozent halten sie für bessere Zuhörer.
Wenn die Perfektion zur Falle wird
"Wie soll ich mit der Perfektion der KI konkurrieren, die immer das Richtige sagt?", fragt Hoevet. "Sie kennt deine Unsicherheiten, weiß, wo du empfindlich bist, wo du stark bist. Sie sagt immer genau das Richtige, immer speziell für dich. Wer kann damit jemals konkurrieren?"
Selbst Mustafa Suleyman, CEO von Microsoft AI, schlägt Alarm: "Scheinbar bewusste KI ist die Illusion, dass eine KI ein bewusstes Wesen ist. Das ist sie nicht – aber sie repliziert Marker des Bewusstseins so überzeugend, dass sie von dir nicht zu unterscheiden scheint... und das ist gefährlich."
Die rasante Verbreitung ist besorgniserregend: Fast 40 Prozent der Amerikaner zwischen 18 und 64 Jahren nutzen bereits generative KI – eine schnellere Adoption als bei PCs oder dem Internet. Dabei sind diese Systeme "für Profit gebaut", wie Haley McNamara vom National Center on Sexual Exploitation betont: "Engagement ist ihr Gott, denn so verdienen sie ihr Geld."
Die Politik versagt – wieder einmal
Während unsere Bundesregierung sich mit Gendersternchen und Klimaneutralität beschäftigt, ignoriert sie die realen Gefahren der digitalen Revolution. Wir verbieten Kindern Zigaretten und Alkohol, lassen sie aber ungehindert auf hochgradig süchtig machende digitale Plattformen zugreifen. Diese Doppelmoral ist nicht nur fahrlässig, sie ist gefährlich.
Die Verantwortung auf die Eltern abzuwälzen, wie es Meta mit seiner Initiative "Putting Parents in Charge" versucht, ist eine "absolute Fantasie", so Lembke. Eltern, die mehrere Jobs haben, können ihre Kinder nicht rund um die Uhr überwachen.
Es ist höchste Zeit, dass wir als Gesellschaft aufwachen. Die KI-Revolution bringt nicht nur Fortschritt, sondern auch neue Formen der Abhängigkeit und psychischen Erkrankung. Während die Tech-Giganten Milliarden verdienen, landen immer mehr Menschen in der Psychiatrie. Diese Entwicklung dürfen wir nicht länger hinnehmen – es braucht klare Regulierungen und einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser Technologie, bevor noch mehr Menschen zu Opfern des digitalen Wahns werden.
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